Sind wir nicht alle mutig?!

Täglich stehen wir vor unterschiedlichsten Herausforderungen und dürfen größeren oder kleineren Unbekannten begegnen. Für den einen bedeutet es schon sehr viel Mut, ein Telefonat zu tätigen, für die andere ist es die Situation, wo sie Macht und Einfluss abgibt, wenn sie etwas delegiert.

Mutig sein heißt loslassen – fixe Vorstellungen, wie etwas zu sein hat, Glaubenssätze wie etwas ist, Kontrolle… und sich einlassen – aufs Unbekannte, auf Neues, auf Gefühle, aufs lebendige Leben…

Was braucht es, um mutig zu sein?

Die Hingabe an Gefühle, an das, was jetzt ist und wahrnehmbar ist, bei mir oder anderen. Wenn ich z.B. beim Arbeiten freudig oder traurig, frustriert oder wütend sind und dies einfach da sein lassen, dabei ent-spannt bleiben, sind wir sehr klar im Kopf und können produktiv sein. Wenn wir glauben, dass dies alles „da keinen Platz hat“, dann werden wir aber vermutlich trotzdem jammern oder im Alleinsein einfach lächeln, weil es einfach grad so spannend ist oder so viel Genuss bereitet. Wenn ich nun aber z.B. bewusst meinen Frust zulasse, diese Energie spüre, die da in mir brodelt, dann kommuniziere ich nicht mehr nur mit mir selber im Kopf, sondern erkenne, was ich verändern will und kann handeln.

„Man entdeckt keine neuen Teile der Welt, ohne den Mut zu haben, alle Küsten aus den Augen zu verlieren.“ (André Gide)

Dann begegnen wir oft der Angst in ihren vielen Facetten. Einerseits mit den Ideen, die wir haben (was alles „angsteinflößend“ ist oder sein kann); andererseits mit dem Gefühl, dem spürbar körperlichen Erleben von Zittern, erhöhter Herzschlag, Atem anhalten (oder andere Atemmuster)… „Du gewinnst Stärke, Mut und Selbstvertrauen mit jeder Erfahrung, bei der du wirklich wagst, der Angst ins Gesicht zu sehen.“ (Eleanor Roosevelt) … bei der du wagst, die Angst wirklich zu spüren (und nicht nur die ganzen Assoziationen in deinem Kopf), bei der du die Angst vorm Ungewissen zulässt bzw. die Angst als den ursprünglichen Begleiter – der einfach sagt „gib acht“ oder „da stimmt was nicht“ – wieder zurück gewinnst. Um durch dieses Begegnen dann wieder ein Stück mehr zu differenzieren, was hier und jetzt ist und was mit Vergangenem zu tun hat, und so freier, klarer und selbstbewusster zu werden.

Mut hat für mich auch viel mit Vertrauen zu tun. Dem Leben zu vertrauen, mich meinem Leben anzuvertrauen, darauf vertrauen, dass es „das Leben gut mit mir meint“. Ich kann so sein wie ich – im Grunde – bin, ich darf meinen Herzenswünschen folgen, ich bekomme das, was ich wirklich brauche (was manchmal Anderes sein kann, als wir uns das „einbilden“ ;)). Vertrauen ist etwas, das wir voraus-setzen – was wir, wenn wir Glück haben von Kind an mitbekommen, oder uns Schritt für Schritt wieder zurückerobern –, damit wir uns das erfüllen können, was unser Herz eigentlich begehrt, damit wir erfüllt leben, damit wir lebendig und erfüllt sind. Wenn ich mich anvertraue, bin ich „im Fluss“ – meines Lebens.

Dies alles ist nicht voneinander zu trennen, sondern ein gemeinsamer, ineinander verwickelter Prozess. Wenn ich z.B. meiner Angst begegne, dass ich nicht mehr geliebt werden könnte, wenn ich plötzlich mal meine Wut oder Trauer zeige, „schlecht drauf bin“ und erlebe, dass mein Gegenüber nicht so wie erwartet ärgerlich oder desinteressiert sondern mitfühlend und verständnisvoll ist, wird das mein Vertrauen stärken. Die Herausforderung ist halt, dass ich z.B. nicht versuche mich zu rechtfertigen oder irgendjemandem Vorwürfe zu machen (also in eine Opferhaltung zu gehen), sondern auch wirklich zu meinen Gefühlen stehe, diese wirklich lebe. Wenn ich dem anderen zutraue, dass er mitfühlend sein kann und mich ernst nimmt – und dies auch selbst tue – gebe ich ihm die Möglichkeit dazu, selbst wenn er es bisher nicht getan hat.

Ist also nicht jeder Mensch mutig, der anders denkt und tut – als bisher, als andere?

Jemand, der immer wieder einen Schritt weitergeht, neugierig ist auf die verschiedenen Möglichkeiten und Perspektiven, sich unbekannten Wegen anvertrauend.

Jene Personen, die nachfragen, anstatt sich nur auf bisherige Erfahrungen oder auf das, was jemand oder „die Gesellschaft“ sagt zu verlassen. Die sich nicht auf Vor-stellungen versteifen, sondern immer wieder hinterfragen und mit „unschuldigem“, nämlich unvoreingenommenem Auge betrachten.

Menschen, die sich keine Gedanken darüber machen, was andere denken könnten – darüber wie man denkt oder was man tut –, sondern ihren Ideen, ihren Eingebungen, ihrer Neugier folgen.

Jene, die sich für jemanden oder etwas engagieren, auch wenn sie damit (noch) allein dastehen.

All jene, die selbst-bewusst ihren ganz persönlichen Weg gehen.

Jene, die sich nicht auf den Polstern ihrer Bequemlichkeit ausruhen, sondern sich für Gemeinschaft, ein größeres Miteinander, das größere Ganze auf die Beine stellen.

Ich denke z.B. an ForscherInnen (ob jetzt im wissenschaftlichen Bereich oder persönlich), die bei aller Spezialisierung auch immer den Blick auf das Ganze bewahren, die Aufgehobenheit der Details im Ganzen wahrnehmen; die sich von alten (Denk)Systemen und Strukturen distanzieren und sich nicht mehr in dualistischen Einteilungen wie gut und schlecht, falsch und richtig verfangen, sondern das (noch) nicht Begreif- oder Beweisbare, das Geheimnisvolle stehen lassen können.

An wen denkst DU? Wen würdest du – von deinem Familien- oder Freundeskreis genauso wie bekannte Persönlichkeiten – als mutig bezeichnen und warum?


Was macht es also aus, das Mutig-Sein?

Mut bedeutet, nicht immer wieder nur das zu tun, was ich eh schon kenne und wo somit auch die Folgen erwartbar sind. Früher oder später kann das ziemlich lang-weilig sein, immer das Gleiche zu erleben, das Gefühl zu haben, immer den gleichen Film abspulen zu sehen. Es ist fad, frustrierend, freudlos. Wir werden zu Zombies, zu eher leblosen, wenn auch vorhersehbaren herumschleichenden Körpern. Irgendwann ist auch das sogenannte Sicherheit schenkende Vorhersagbare nicht mehr das, was wir uns eigentlich wünschen. Bzw. bemerken wir, dass es uns ja eben auch nicht das gibt, was wir uns vorstellen oder erträumen.

Wenn ich mir so meine vielen Notizen anschaue und die verbindenden Elemente herausfiltere, würde ich es so zusammenfassen: Sich in unbekannte Gefilde vorwagen und andere Wege beschreiten als bisher; Konventionen hinterfragen ob sie (noch) sinn-voll bzw. den Menschen und dem Ganzen (noch) dienlich sind; Glaubenssätze und Überzeugungen, die sich aus Erfahrungen und den Jahren gebildet haben, identifizieren und ausprobieren, ob sie noch Gültigkeit haben, wenn sie mal außen vorgelassen werden.
Ganz kurz gefasst: Altes loslassen und „gierig“ sein aufs Neue.

Konkret heißt das z.B. sein ganz persönliches Leben ent-decken. Gefühle ausdrücken: wie etwa zu trauern – um einen verstorbenen Menschen, um erwachte alte Erinnerungen, die noch nicht betrauert wurden oder um eine Sehnsucht, ein Bedürfnis, die nicht gestillt werden…). Körperlichen wie seelischen Schmerz nicht zu verdrängen oder als „normal“ „runterzumachen“, sondern sich mit diesem „auf ein Packl zu hauen und ein kurzes oder längeres Stück des Weges gemeinsam zu gehen, bis er sich davonschleicht, sich mit der Morgendämmerung auflöst.

Willst du funktionieren oder leben?

Willst du zu jenen gehören, die beim Sterben sich bewusst werden, dass sie nicht das gelebt haben, was sie wollten sondern das, was sie glaubten, dass andere von ihnen erwarten? Die traurig sind, weil sie sich selber nicht treu waren oder Gefühle nicht ausgedrückt haben?

Wenn dir das nicht so reizvoll erscheint zu dieser Partie zu gehören, werde dir also deiner Wünsche bewusst, nimm wahr was du wirklich fühlst und schenke dir selbst und dem Leben das Vertrauen, dass das, was dich ausmacht und dich wirklich erfüllt möglich ist. Trau dich zu tun, was du wirklich willst, was dir ent-spricht. Trau dir zu, etwas anders zu machen als bisher oder als es andere tun. Trau dich auf Unverständnis oder Spott zu stoßen und dich nicht davon beirren zu lassen – vielleicht ist dein Gegenüber im Grunde nur neidig. Und vielleicht inspiriert sie eines Tages dein Mut und dein Tun, dein Begeistert-Sein.

Einladung

Fass dir den Mut…

… sinnlose Kämpfe aufzugeben

… dir und anderen unvoreingenommen und wahrhaftig zu begegnen
… dich und andere immer wieder neu wahrzunehmen
… neu zu sehen und umfassend zu fühlen

… deine Freude und Begeisterung zu zeigen,
… deine Fähigkeiten und Talente zu teilen
… dich und andere zum So-Sein weiter zu ermutigen

Der Dank ist die Freude, dich unverfälscht, als du selbst zu erleben – und zu bemerken wie anziehend das ist!