Vom Cool-Sein-Wollen und Schamgefühlen

Vom Cool-Sein-Wollen und Schamgefühlen

Gefangen: im Raum der Scham

Plötzlich spüre ich, wie mein Brustkorb eng wird... wie sich alles um mein Schlüsselbein zusammenzieht, ich mich klein und unsicher fühle wie als Teenie.
Ich ziehe meinen Kopf ein und „würd so gern...“, oder denke mir „es wär jetzt schön...“
... wenn sich z.B. jemand Bestimmter oder auch Unbekannter „für mich interessieren würde“.
Und hab doch gleichzeitig Angst, wenn dieser jemand dann wirklich Interesse zeigt, mich kennenlernen will.

Ich fühle mich hilflos.
Gefangen in diesen ewig gleichen Konjunktiven, im "Müssen" und "Nicht-Dürfen".
„Ich kann doch nicht...“ ist auch so ein bekannter Geselle.

Und ich bemerke zum ersten Mal, dass ich traurig bin.

In der Enge der Einsamkeit

Das war mir noch nie aufgefallen, diese Traurigkeit, hinter der Schüchternheit. Diese Einsamkeit in meiner Welt.
Das Nicht-Raus-Können aus meiner Enge... und schon gar nicht merken, dass sie ein Raum ist, den ich verlassen kann.
Ein Raum in einem großen Haus. In meinem Haus.

Wenn ich in diesem Raum bin, spür ich eine Wand, zwischen mir und der Welt.
Ich fühle mich abgetrennt.
Ich fühle, dass mich etwas trennt, aber merke nicht, dass es auch in mir selbst ein Drinnen und Draußen gibt. Die Wand zwischen mir und der Welt - ist auch eine Wand in mir.

Die Glaubenssätze meiner Scham

Vor-Stellungen, Erwartungen, Ängste... die sich aus meinen Erfahrungen und Prägungen speisen. Die eiserne Mauer meiner Glaubenssätze, dass ich „nicht genug bin“ oder „etwas falsch machen könnte“.

Diese Eisenplatte in meiner Brust... meine Ritterrüstung, um nur ja nicht missverstanden oder zurückgewiesen zu werden.

Ich will wissen, was beim andern ist... und kann doch keine Fragen stellen.
Noch sagen, was mich bewegt.

Denn: ich schäme mich ja!

... für meine Unsicherheit genauso wie für meine Begeisterung und Hingabe.
... für so Vieles, wofür man sich eigentlich nicht zu schämen bräuchte.

Und doch tu ich es... und komm da nicht raus!

Ich bin in der Zwickmühle:
Wenn ich sage, was ich will (oder auch nicht will), könnte der andere glauben, er macht was falsch. Zumindest fühl ich mich schnell so.
Wenn ich sage, was ich denke oder fühle, könnte man mich auch für zu freizügig oder naiv halten... wenn ich einfach begeistert bin und impulsiv...

Im Hinterkopf raunen die Stimmen...

  • „Ich darf nicht zu viel preisgeben“
  • „Ich muss vorsichtig sein“
  • „Ich muss mich zurückhalten“
  • „Ich darf nicht zu viel Interesse zeigen“
  • „Ich darf mich nicht hingeben“
  • „Ich will nur ja nicht missverstanden werden“
  • „Was ist grad beim anderen?“

Fehlendes Selbst-Verständnis und ne coole Maske

Ich weiß nicht, wann sie mir verloren ging...

… die Selbstverständlichkeit meines Seins und Tuns.

Wohl irgendwann in der Jugend.
Denn bis dahin schien ich sehr selbstbewusst dafür eingetreten zu sein, das zu tun, was ich wollte. Und mir keine Gedanken darüber zu machen, was andere davon hielten.

Aber irgendwann schien mir manches nicht „cool genug“
Ich wollte dazugehören und dachte, dass man sich dafür aufgeben muss...

Ich hatte zu rauchen begonnen und hörte auf Ballett zu tanzen. Später ließ ich auch das Klavier- und schlussendlich auch das Cello-Spielen.
Ich setzte eine (scheinbar) coole Maske auf und war gleichzeitig schüchtern.
Ich irrte über Jahrzehnte durch ein Labyrinth von Selbstzweifel, Zurückhaltung und gleichzeitiger Rechthaberei, wusste nicht wie ich mich verhalten sollte und hatte 14 Jahre lang chronische Schmerzen.

Zurück zu mir - zu meiner Intuition und Kreativität

... bis ich nicht nur eine Ausbildung und Tätigkeit fand, die mir entsprach und mich erfüllte, sondern auch meiner Kreativität wieder mehr und mehr Ausdruck verlieh.

Ich erhöhte und vertraute wieder mehr meiner Wahrnehmung und Intuition und finde deshalb immer wieder neue und kreative Lösungen bzw. Wege der Begegnung.

Schreibend, tanzend, Klavier spielend erforsche ich Schamgefühle und Ängste, unbewusste Vor-Stellungen und Glaubenssätze. Aber auch die Hingabe und das Mich-Anvertrauen - an mich, an andere, an das Leben.

ICH SCHREIBE MICH HERAN


und taste mich vor
an den Wänden meiner Scham

in die Engen
meines Seins

die Fackeln meiner Sehnsucht
bringen Licht
in meine dunklen Ecken

unsicher
gebe ich mich hin

dieser Reise
in mein Innen

folge
meinem tiefen Wissen

lasse mich
sinken

ich traue mich
vor

und werde
geborgen

in der Fülle

vom Vertrauen

Raum für die Scham und Transformation

Sanft und liebevoll  hab ich mich mir und meiner Scham zugewandt.

... bin unter anderem der Einladung zu einem Seminar gefolgt, wo wir gemeinsam die vielen Facetten unserer Scham beleuchteten und alte Erfahrungen transformieren konnten.

In einer der Übungen atmete ich bewusst in meine angespannten Stellen und ließ dann los...

... bis ich weich wurde, mich ent-spannte, lockerte...
... mich aufrechter fühlte und bemerkte, dass sich Wärme in mir breit machte, mein Hinterkopf kribbelte...
... sich plötzlich ein Schmerz aus meiner Brust löste und ich in Tränen ausbrach.

Und zwar ganz ohne Scham!

Wirklich!
Da waren plötzlich keine Schamgefühle mehr!
Sondern einfach Freude und Schmerz, mich zu zeigen und zu mir zu stehen.
Und zu spüren, dass dies auch keine Ablehnung meines Gegenübers bedeutete.

Denn so oft ist da die Angst „andere zu verletzen“... dass ich mich „lieber“ selbst in den Hintergrund stelle.

In dieser Begegnung hatte ich mich nun nicht nur selbst „wichtiger genommen“ bzw. gleich wichtig - auf Augenhöhe -, sondern mein Gegenüber freute sich sogar darüber!

"Zu mir stehen bedeutet nicht gegen dich zu sein"
... hatte ich hier wahrhaftig erfahren dürfen. Und immer öfter.

Vom Echt-Sein, Unsicherheit und Nähe

So beginne ich immer öfter zu schauen wo es Räume dieser Behutsamkeit mit anderen gibt. Und dass ich sie selbst auch schaffen kann.

Wo Schritt für Schritt meine Schamgefühle, Unsicherheiten und Ängste Platz bekommen und ich bemerke, was wirklich passiert: nicht Ablehnung oder Verurteilung, sondern Annahme, Freude, Erleichterung... mehr Klarheit und Verständnis.
Echte Begegnungen.

Und Bestärkung...

... nicht nur für meine momentanen Grenzen einzustehen und sie zu kommunizieren, sondern dass genau dadurch Nähe entsteht.

... weil ich mich zeige, wie ich bin

... wie ich jetzt gerade bin

... dass ich mich nicht verstecken muss, sondern unsicher und verletzlich sein darf, Trauer und Ärger genauso zeige wie meine Leichtigkeit, Neugier und Begeisterung.

Und zwar unabhängig davon, wie mein Gegenüber dann damit umgeht.
Wir können sowieso nie wissen, wie jemand auf uns reagiert - aber wir möchten im Grunde doch alle für das geliebt werden, wer bzw. wie wir sind. Oder?

Das habe ich als Jugendliche leider nicht gelernt. Da wollte ich „cool sein“ und dazugehören.

Ich bin ich - Hingabe ans Ungewisse

Und jetzt?

... bin ich frei!

... ich selbst zu sein und zu schauen, wen das anzieht.
... wo ich dazu gehöre, weil ich ich bin!

Ich merke wie mit jeder Begegnung mein Vertrauen wieder wächst - in mich, meine Gefühle, meine Intuition.

... dass ich spüre, wo ich mich mit meiner Unsicherheit oder auch Unklarheit zeigen kann, und gleichzeitig meine Unabhängigkeit fühle, dass und weil ich nicht gefallen muss!

Ich traue mich wieder mehr meiner Hingabe Raum zu geben... und mich nicht mehr abhängig zu machen, wie es ankommt. Was für eine Erleichterung!

Ja - Echt-Sein erleichtert. Mich und die anderen. Die Kommunikation.

Heute drücke ich - mehr und mehr - aus, was ich denke oder will... und schaue, wer "mit spielen“ mag und mit wachsen will.

Ich gestehe mir und anderen unser eigenes Tempo und Ent-Wicklung zu.
Ich schaue wo ich mich öffnen kann und will - weil Neugier und Achtsamkeit unsere Begegnung trägt.
Statt mich in der Enge der Scham zurück zu halten, schaue ich wer mir gut tut und mit wem ich mich entfalten kann.

... und tanze mit der Ungewissheit und dem Unberechenbaren, indem ich den Moment genieße, im Vertrauen und wahrhaftig bin.


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... wie wir uns in der Unsicherheit getragen fühlen können,
besser mit Angst umgehen
bzw. uns mutig vor-trauen können.

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